Der Tag sieht am Himmel durchwachsen aus, als ich aufstehe. Vereinzelte Wolkenfetzen, die sich bilden und immer wieder auflösen. Heute werde ich meinen letzten Flug des diesjährigen Gap-Urlaubs gemeinsam mit Herry machen.
Im Briefing wird von Wolkenthermik und Welle gesprochen. Der Wind hat bis auf 30 Knoten und mehr in der Höhe zugenommen, so dass sich schwache Wellen ausbilden können sollen. Nun gut – schauen wir mal, was und wie es wird……
Wir gehen den Tag gemütlich an, machen wir gewohnt den Flieger fertig und ich ziehe ihn zum Start. Nur 5 Flugzeuge sind zu schleppen. Alle Anderen gehen im Eigenstart raus.
Es geht los Richtung Malaup. Wir haben uns fest vorgenommen nicht zu tief zu klinken. Wir haben ja die Erfahrung gemacht, das kostet unter Umständen eine Menge Zeit. Bis auf 1900 AMSL haben wir uns verständigt. Bei etwas über 1600 meint Herry, ich soll klinken. Ich höre folgsam und – ja – wir kämpfen zwischen 1300 und 1900 Meter am Malaup mit 3 anderen Seglern. Es will irgendwie nicht so richtig nach oben gehen. Wir fliegen den Kamm Richtung Nordosten ab und finden nördlicher Thermik und steigen so auf etwa 2200 Meter AMSL. Richtung großem Ceüse und Pic de Bure sind Rotorwolken zu erkennen. Diese sind das Ziel unserer Begierde.
Der erste Versuch misslingt und wir müssen am Grat erstmal nochmal Höhe tanken. Der Zweite gelingt besser, so dass wir am Pelleautier (kleiner See bei Neffes) so hoch vor dem Rotor steigen können, dass wir in die Welle einsteigen können.
Ruhe – es ist gespenstisch ruhig und das Vario hat scheinbar unendlich an Trägheit zugenommen, könnte man meinen. Bei 2m/s Steigen steht es zunächst wie angewurzelt – wie festgenagelt. Der Höhenmesser zeigt 3500 Meter und steigt langsam aber stetig weiter an, während es ruhig ist im Cockpit und wir eine Aussicht genießen, die ich gar nicht wirklich beschreiben kann.
Auf 4300 Meter angekommen fliegen für Richtung Pic de Bure vor und wollen in die Primärwelle einsteigen. Etwa 350 Meter verlieren wir dabei und landen wieder in einem ruhigen gleichmässigen und kontinuierlichen Steigen von 1 m/s, später auch mal 2 m/s.
Bei 5250 Meter AMSL beschließen wir weiter Richtung Osten an der Ecrins vorbei zum Lac de Serre-Poncon zu fliegen. Der Staudamm ist aus dieser Höhe wunderbar zu erkennen und der Blick Richtung Osten einfach atemberaubend. Auf Höhe Savines le-Lac schlagen wir dann Kurs Richtung Malaup ein. Herry möchte mit mich nochmal üben lassen, wie ich über den Rotor den Einstieg in die Welle finde – aber vor dem kleinen Ceüse ist dann doch irgendwie die Luft raus und wir fliegen wieder an den östlich vom Flugplatz gelegenen Grat und haben dort die gleichen Probleme, wie an den Tagen davor, die Höhe abzugleiten.
Also lande ich nach der Methode „Burghard“ und baue schon im Gegenanflug mit den Bremsklappen Höhe ab. Die Landung verläuft unspektakulär und am Stellplatz sehen wir noch während des Ausrollens Burghard und Frank stehen.
Ja – was soll ich zu diesem außergewöhnlichen Erlebnis noch schreiben?
Das erste Ziel, meine Pilotenlizenz zu bekommen, habe ich letztes Jahr erreicht. Heute das zweite Etappenziel: Ein Flug in der Welle in großer Höhe in einem Doppelsitzer – mit einem Piloten, der hier schon entsprechende Erfahrung hat. Dass es so früh schon passieren würde, hätte ich nicht gedacht. Die nächste Stufe ist das Ganze dann in einem Einsitzer für mich alleine zu tun.
Dienstag geht es auf die Heimreise. Was ich mitnehme hier sind Eindrücke und Erlebnisse, die meine Demut vor den nützlichen aber auch gefährlichen Naturkräften, mit denen wir unseren Sport betreiben, wachsen ließ; noch größeren Respekt vor den Gefahren unseres Sports aber auch eine noch größere Freude an den Schönheiten und der Erfüllung, die ich hier finden kann. Das Andere, was da noch zu schreiben wäre, kann ich nicht in Worte fassen.
Es gilt viel zu üben und den Erfahrungshorizont zu erweitern. Dann wird auch irgendwann Etappenziel 3 Realität.
Bis dahin – bleibt alle gesund und habt Freude am Leben
Euer Jürgen
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